„Wenn die Deutsche Post nicht schnellstmöglich die Arbeitsbedingungen im Bereich der Zustellung verbessert und zusätzliches Personal einstellt, müssen sich die Menschen hierzulande auf weitere Einschränkungen beim Empfang ihrer Briefe und bestellten Ware einstellen. Schon heute bleiben Sendungen mitunter tagelang in den Betriebsstätten liegen und es häufen sich die Beschwerden, dass Pakete nicht ordnungsgemäß zugestellt wurden. Das kann so nicht weitergehen.“ Mit diesen Worten übt die Bundesvorsitzende der Fachgewerkschaft DPVKOM, Christina Dahlhaus, im Vorfeld des Tages des Zustellers am 6. Juni 2022 scharfe Kritik an der Deutschen Post.
Mit der geplanten Ausweitung der Verbundzustellung und dem neuen Zustellkonzept, das nun sukzessive in den Betriebsniederlassungen des Unternehmens eingeführt wird, werden die Belastungen für die mehr als 115.000 Zustellerinnen und Zusteller weiter zunehmen. Beschäftigte, die bislang nur Briefe und kleinformatige Sendungen ausgeliefert haben, sollen zukünftig vermehrt auch Pakete zustellen. Diese sind bis zu 31,5 Kilogramm schwer. Die von der Deutschen Post forcierte Zusammenlegung bislang getrennter Brief- und Paketzustellbezirke zu einem Verbundbezirk wird zu einer weiteren körperlichen, aber auch psychischen Belastung der Zusteller führen. Dahlhaus weiter: „Diesen Knochenjob hält auf Dauer keiner aus. Die Beschäftigten arbeiten heute schon am Limit und kommen nach ihrem Arbeitstag total erschöpft nach Hause. An diverse Freizeitaktivitäten ist dann nicht mehr zu denken. Das geht insbesondere älteren Kolleginnen und Kollegen so, die schon jahrzehntelang in der Zustellung tätig sind und die die gleiche schwere Arbeit wie ihre jüngeren und leistungsstärkeren Kollegen machen müssen.“ Mittlerweile kommt es immer häufiger vor, dass Beschäftigte das Unternehmen verlassen, weil sie unter diesen Arbeitsbedingungen nicht arbeiten können und wollen. Noch verwerflicher ist das Hinausdrängen von älteren Beschäftigten sowie von Kolleginnen und Kollegen mit Handicaps, unter anderem durch ständige Krankengespräche.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Deutsche Post ihren Personalbedarf zunehmend an Sendungsprognosen und nicht mehr an den tatsächlichen Sendungsmengen ausrichtet. Das ist nämlich Kern des neuen Zustellkonzeptes, das überdies die bisherigen Stammbezirke der Zusteller abschafft und dafür nur noch sogenannte Zustellgebiete ausweist. Für den Beschäftigten hat das zur Folge, dass er kurzfristig und tagtäglich an einem anderem Arbeitsort in seinem nun deutlich größer gewordenen Zustellgebiet eingesetzt werden kann und die Besonderheiten seines neuen Gebietes oftmals gar nicht kennt. „Den klassischen Zusteller, den die Kunden kennen, wird es bald nicht mehr geben. In der Vergangenheit haben Bewohner von Straßen für den Erhalt ihres Stammzustellers Unterschriften gesammelt. Das interessiert die Post jedoch gar nicht! Der Wunschzusteller der Post soll absolut flexibel und jederzeit austauschbar sein – und natürlich jung und fit. Das ist anmaßend und eine absolute Geringschätzung gegenüber den Zustellern, die seit Jahren das Gesicht der Post sind!“
Eine solche Personalpolitik in Verbindung mit dem neuen Zustellkonzept führt nicht zuletzt dazu, dass die Zustellqualität leidet und die stetig steigende Arbeitsmenge gar nicht in der dafür vorgesehenen Arbeitszeit bewältigt werden kann. Diese Probleme werden einerseits durch die permanent zweistellige Krankheitsquote und andererseits durch den eklatanten Personalmangel im Unternehmen noch einmal potenziert. „Wer die Personaldecke so auf Kante näht, wer die Zusteller so ausquetscht und belastet, darf sich nicht wundern, wenn infolge von krankheitsbedingten Ausfällen die Zustellung auf der Strecke bleibt“, so die DPVKOM-Bundesvorsitzende.
Vor diesem Hintergrund fordert die Fachgewerkschaft DPVKOM die Deutsche Post erneut zu einer Einstellungsoffensive auf. Nach wie vor fehlen aus Sicht der DPVKOM bundesweit mehrere Tausend Zusteller. Darüber hinaus müssen bestehende Arbeitsverhältnisse viel schneller entfristet werden, um den Menschen im Unternehmen eine verlässliche Perspektive zu bieten. Außerdem spricht sich die DPVKOM dafür aus, zwei Personen bei Zustelltouren mit Paketen ab einem Gewicht von 20 Kilogramm einzusetzen, um die körperlichen Belastungen zu reduzieren. Dahlhaus: „Das alles kostet natürlich Geld! Aber bei einem Konzerngewinn von 5,1 Milliarden Euro sollte es daran nicht scheitern. Vielmehr wäre es endlich mal eine nachhaltige Investition in das Personal.“
Tag des Zustellers
Mit dem Tag des Zustellers am 6. Juni – dem Gründungstag der vor mittlerweile 132 Jahren gegründeten Fachgewerkschaft – will die DPVKOM auf die Arbeitssituation der Zustellerinnen und Zusteller der Deutschen Post aufmerksam machen. Gleichzeitig soll den Beschäftigten an diesem Tag die Wertschätzung zuteilwerden, die viele von ihrem Arbeitgeber oft vermissen.