Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder, das gab es noch nie! Allein im Jahr 2024 haben monatlich rund 2.000 Beschäftigte die Deutsche Post verlassen. Sie haben selbst gekündigt oder einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Und ein Ende dieser dramatischen Perso- nalflucht ist nicht in Sicht. Der personelle Aderlass verschärft den Druck auf die verbliebenen Beschäftigten enorm, denn die Arbeit muss dann auf weniger Schultern verteilt wer- den. Neue Kolleginnen und Kollegen findet der selbst ernannte Arbeitgeber erster Wahl komischerweise auch nicht so recht. Oder die neuen, die kommen, bleiben nicht. Warum? Weil eine (zu) hohe Arbeitsbelastung und Arbeits- verdichtung auf der Tagesordnung stehen. Die Strategien des Arbeitgebers mit Flexibilisierung, Ver- bundausweitung oder auch der Ausweitung der A/B- Zustellung mögen zwar auf dem Papier wirtschaftlicher sein, sind letztendlich aber die Ursachen für eine hohe Fluktuation, für eine hohe Unzufriedenheit und für einen hohen Krankenstand. Das alles hat mit einem Arbeitgeber erster Wahl rein gar nichts zu tun. Und jetzt läuft die Tarifrunde! Natürlich spielt auch die Bezahlung eine entscheidende Rolle, um Personal zu hal- ten und neues zu gewinnen. Wie heißt es so schön: Ohne Moos nix los! Unsere diesbezüglichen Tarifforderungen sind bekannt: Als Fachgewerkschaft fordern wir – genau wie im öffentlichen Dienst, dessen Verhandlungen sich auch auf die Beamten bei der Post auswirken – für alle Beschäftigten eine lineare Entgelterhöhung um 8 Prozent, mindestens 350 Euro monatlich mehr, mit einer Laufzeit von 12 Monaten. Die DPVKOM ist Mitglied der dbb Tarif- kommission für den öffentlichen Dienst. Somit ist für uns eine gleichlautende Forderung für alle Tarifbeschäftigten logisch. 8 Prozent für alle. Keiner soll sich durch unter- schiedliche Forderungen als zweite Wahl fühlen müssen. Weitere wichtige Forderungen – neben einer höheren Ausbildungsvergütung und der Weiterzahlung der Post- zulage für Beamte – sind der Wegfall der Gruppenstufe 0 und vor allem die Zahlung eines Urlaubsgeldes in Höhe eines vollen Monatslohnes, und zwar ab dem ersten Beschäftigungsjahr! Denn: Egal, wie viele Tage Urlaub man auch hat, man muss sich diesen auch leisten können. Das aktuelle Urlaubsgeld reicht ja noch nicht mal für eine Woche auf dem Campingplatz! Natürlich ist Entlastung wichtig, aber mehr Urlaub bei der angespannten Personal- situation? Wie soll das denn funktionieren? Mehr Perso- nal, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Gehalt und ein höheres Urlaubsgeld! Das ist das Rezept, damit es den Menschen im Unternehmen besser geht! 01-2025 An dieser Stelle noch ein Wort zu den Forderungen der anderen im Betrieb vertretenen Gewerkschaft: Nicht nur unterschiedliche lineare Entgeltforde- rungen sind ungerecht, sondern auch die Forderung nach einem zusätzlichen Urlaubstag für Mitglieder einer bestimmten Gewerkschaft ist ungerecht. Sie führt zu einer Spaltung der Belegschaft. Und: Die Finanzierung dieser „Extra- wurst“ fehlt dann in der zur Verfügung stehenden finanziellen Verhandlungs- masse für alle Beschäftigten. Wenn der Arbeitgeber sich darauf einlässt, unter- stützt er damit die Werbemaßnahme für diese Gewerkschaft. Die gemeinsame Kuscheldecke würde damit noch gemütlicher. Ja, es stimmt: Die DPVKOM sitzt nicht am Verhandlungstisch. Aber keinesfalls, weil wir nicht verhandeln können oder dürfen. Der Arbeitgeber und seine Haus- und Hofgewerkschaft lassen uns nicht, sie wollen es nicht! Dafür können und dürfen wir für unsere Tarifforderungen streiken! Und das machen wir auch! Nach unseren sehr erfolgreichen Streiks in den Niederlassungen Magde- burg und Karlsruhe hat der Arbeitgeber einen Gesprächstermin mit uns vereinbart. Dieses Gespräch soll am 30. Januar stattfinden. Das waren auch echte Streiks und keine Mogelpackungen wie zuletzt in Bielefeld. Dort fand eine Protestaktion wäh- rend der Betriebsversammlung der Niederlassung Betrieb Herford statt. Wie prak- tisch: eine Protestaktion während der bezahlten Arbeitszeit. Dessen ungeachtet gilt: Streikrecht ist Grundrecht! Wir lassen uns von nieman- dem unser Recht, das Recht unserer Mitglieder und aller Tarifbeschäftigten beschränken. Da können andere noch so oft wider besseres Wissen behaupten, dass wir nicht streiken dürfen. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne mit weiteren Fakenews aufräumen. Durch die sogenannte Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen gelten die aktuellen und nun neu abzuschließenden Tarif- verträge für alle Beschäftigten, egal ob und wo diese gewerkschaftlich organi- siert sind! Auf diese Tarifverträge beziehen sich auch unsere Tarifforderungen. Wir verbieten auch keiner Kollegin und keinem Kollegen, solidarisch zu streiken, wenn eine andere im Betrieb vertretene Gewerkschaft zum Streik aufruft. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir die letzten Entgelttarifverträge nicht unter- schrieben haben, obwohl wir es hätten tun können. Wir haben nicht unter- schrieben, weil diese Tarifverträge in weiten Teilen zu einer Entwertung der Arbeit geführt haben. Merkwür- digerweise klagen sogar Tarif- partner nun gegen diese selbst verhandelten Tarifverträge, was am Beispiel der Eingruppierung in die Gruppenstufen deutlich wird. Das sollte jedem Beschäf- tigten zu denken geben! Ihre/Eure Christina Dahlhaus Christina Dahlhaus Bundesvorsitzende M O K V P D : o t o F 3