Seit dem 8. Dezember ist die neue Bundesregierung im Amt. Zum ersten Mal wird Deutschland von einer sogenannten Ampel-Koalition regiert. Der von den Koalitionären ausgehandelte Koalitionsvertrag enthält aus Sicht der DPVKOM-Bundesvorsitzenden Christina Dahlhaus Licht und Schatten.
So schreibt die Bundesvorsitzende in ihrem Editorial der neuen Ausgabe 6/2021 des DPVKOM Magazins:
"Der Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ liegt seit dem 24. November 2021 auf dem Tisch. Durch politische Lobbyarbeit und mithilfe unseres Dachverbandes dbb beamtenbund und tarifunion konnten wir als DPVKOM bereits im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen unsere Themen und Ziele platzieren. Einige davon haben wir auch durchgesetzt und eine klare Positionierung der Koalitionspartner erreicht.
Nicht nur seit der Corona-Pandemie, sondern seit der fortschreitenden Digitalisierung und der damit einhergehenden veränderten Arbeitswelt setzen wir uns für ein digitales Zugangsrecht für die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein. Dieses Ziel haben wir erreicht. Die Koalitionspartner folgen unserer Argumentation und wollen ein zeitgemäßes Recht für Gewerkschaften auf digitalen Zugang in die Betriebe schaffen, das den „analogen“ Zugangsrechten entspricht.
Seit Jahren kämpfen wir auch für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, damit Arbeit vor Armut schützt und Arbeit sich auch lohnt. Endlich wird es eine Erhöhung des Mindestlohns in einem einmaligen Schritt auf 12 Euro geben. Darüber hinaus hat sich die neue Regierung auch in Sachen Betriebsübergänge klar positioniert. So ist im Koalitionsvertrag zu lesen: „Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht werden wir verhindern, indem wir die Fortgeltung des geltenden Tarifvertrages sicherstellen.“ Damit wird eine weitere Forderung der DPVKOM erfüllt. Schließlich können somit Austöchterungen nicht mehr zu einem schlechteren Tarif erfolgen. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns alle gut an die vielen Betriebsübergänge bei der Telekom, die in der Regel zu schlechteren Tarifverträgen geführt haben, oder auch an die Gründung der Delivery-Regionalgesellschaften bei der Post, die ein Beispiel für Tarifflucht und die Entwertung von Arbeit waren.
In unserem Sinne positiv zu vermerken ist auch, dass zukünftig die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes – dies gilt auch für Postdienstleistungen – an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden ist. Außerdem soll es keine Rentenkürzungen
und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, dafür aber eine Stärkung der
betrieblichen Altersvorsorge geben. Hierfür haben wir uns ebenfalls starkgemacht.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Komplett versagt hat die Ampel für mich bei dem Thema Befristungen. Von den politischen Forderungen aus dem Wahlkampf, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen, ist genau null übrig geblieben. Das ist jämmerlich, meine Damen und Herren. Schauen wir uns doch mal ein paar Zahlen an. Im Jahr 2019 waren 37 Prozent aller Neueinstellungen in Deutschland befristet. 2020 ist dieser Prozentsatz auf knapp 40 gestiegen. Ein echtes Armutszeugnis ist auch der Wille, die Kettenbefristungen zu begrenzen. Hier steht im Koalitionsvertrag im Grunde nichts anderes als das, was Arbeitsgerichte schon festgestellt haben. „Um Kettenbefristungen zu vermeiden, begrenzen wir mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber auf sechs Jahre.“ Aus unserer Sicht muss verhindert werden, dass nach einer sachgrundlosen Befristung eine Befristung mit Sachgrund erfolgen kann. Sonst wären Beschäftigte zwei Jahre sachgrundlos befristet und dann noch sechs Jahre mit Sachgrund. Das kann nicht sein! Wenn hier die Änderung des Befristungsrechts ansteht, werden wir massiv weitere Verbesserungen einfordern.
Ich habe mich hier auf wenige Punkte konzentriert. Einiges haben wir erreicht, jedoch steht noch viel Arbeit vor uns. So wollen wir zusätzliche Belastungen durch die von der Koalition vorgesehene Abweichung hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit verhindern. Diese Abweichung
soll nach dem Willen der neuen Bundesregierung möglich sein, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen. Außerdem werden wir bei der geplanten Evaluierung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes eine echte Mitbestimmung für Betriebsräte bei der Verteilung der Arbeitsmenge einfordern. Ihr seht, wir werden Eure Themen weiter vorantreiben.
Dessen ungeachtet werden wir als DPVKOM auch weiterhin unseren Beitrag für eine solidarische Arbeitswelt und Gesellschaft leisten. Dies sollte auch jeder Einzelne von uns tun."